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Sehenswürdige Weltmusiken

Die Weltkarte hier an der Wand des Restaurants soll wahrscheinlich lustig sein: neben dem Poncho sitzt der Samba, über dem Reggaeton drängt sich Cocaine. Unter Russland hängt die Polka und unter Afrika quetscht sich die Trommel gerahmt von Kakao und der Seregenti. 

Die Welt nach Ländern, Städten, Sehenswürdigkeiten, Religionen, Lebensmitteln, Klamotten, Souvenirs und Musikstilen sortiert. Spanien besteht aus Tango, Tapas und Wein. Lässt sich das anders besser zusammenfassen?

Jedes Stereotyp hat hier seinen festen Platz, ist vermessen, vorbestimmt und unverrückbar an eine Region gebunden. Auf diesem Bild erscheint sogar alles relativ. Man wird doch mal so ganz im Allgemeinen über den Osten, Westen, Süden und Osten in Vorurteilen reden dürfen und das benennen, was der westliche Mensch so damit verbindet, oder?  

Es ist eine richtige Touri-Weltkarte, die Lust darauf machen soll, die Welt zu entdecken. Tatsächlich sitze ich gerade diese Woche ziemlich genau auf dem „M“ der afrikanischen „Drums“. Dieses Bild hängt nämlich in einem touristischen Strandrestaurant in Cape Coast (Ghana), in dem ich mich nach einem anstrengenden Workshoptag an der Uni ausruhe. Aber wo sind sie nur die Trommeln? Aus den Lautsprechern tönt Reggaemusik (die es laut dieser Karte nur in Südamerika gibt), ich trinke ein Bier (das es nur in Mitteleuropa geben soll) und sehe vor mir vor allem den Plastikmüll, der hier in Massen an den Strand geschwemmt wird.

Jetzt könnte man sagen, dass sich damit bestätigt, dass alle Menschen auf der Welt die gleichen stereotypen Vorstellungen voneinander haben. Aber da gibt es einen gewaltigen Unterschied: ich werde in wenigen Tagen wieder zurückfliegen und kann mich dabei davon überzeugen, dass ich nicht über „spices“, „beer“ und „cheese“ fliege. Und kann mich zu einem anderen Zeitpunkt davon überzeugen, dass das Leben in südlichen Afrika auch nicht nur hakuna matataist. 

Für die Fischer hier am Strand, die sich wahrscheinlich schon einen Besuch in dieser Bar gar nicht leisten können, hat das Bild allerdings eine ganz andere Bedeutung. Die es im Vorbeigehen sehen, haben gar nie die Chance, einen dieser Plätze auf der Welt mit seinen vielfältigen Versprechungen zu besuchen. Ihnen wird nur vorgeschrieben, wie sie zu sein haben, wenn sie den weißen Touristen, die hierher kommen gefallen wollen

Weltmusik in Messehallen

Vergangenes Wochenende war ich mal wieder auf der Bazaar-Einkaufsmesse in Berlin. Seit Jahren lädt sie uns im November in die in der Nazizeit erbauten Messehallen ein. „Einkaufen wie im Urlaub“ kann man da, mit dem Unterschied, dass alle möglichen Reiseländer in wenigen Hallen auf einmal vertreten sind. Für knapp 10,- Euro Eintritt kann ich Souvenirs fast zu Originalpreisen aus aller Welt in Fußmarschentfernung einkaufen und spare mir damit Flugtickets und Zeitumstellungen. Das müssen dafür die Händler in Kauf nehmen. Insofern eine geschickte Angelegenheit – leider nur ohne Strand, tropische Temperarturen und touristische Attraktionen für uns.

Musikinstrumente sind da natürlich auch dabei, wie nicht anders zu erwarten: die Südamerikaner verkaufen Panflöten, die Afrikaner Trommeln, die Nepalesen Klangschalen.

Zwei Deutsche verkaufen an ihrem Stand alles zugleich und spielen live sogar auf Maultrommel und Handpan, um auf sich aufmerksam zu machen.

So weit, so erwartbar. Dass es sich bei den Klangschalen um Instrumente handelt, die überhaupt nur für Europa hergestellt werden und in Nepal gar nicht gespielt werden, darüber schauen wir mal freundlich hinweg. Immerhin besitzt der deutsche Hauptanbieter für Klangschalen-Massagen, Peter Hess, so viel Respekt, dass sein Stand nicht in der asiatischen Halle steht, sondern in der „Natural Living“-Halle. Gleich neben einem Anbieter mit esoterischen Wohlfühl-Naturklang-CDs.

Wobei wir bei dem eigentlichen Problem dieser Messe angekommen sind. Zusammengehalten wird nämlich die gesamte Ausstellung mit so verschiedenen Anbietern durch das Konzept von „Natürlichkeit“, „Wohlfühlen“ und „Gesundheit“. Die Kleinhändler aus dem globalen Süden finden sich in Berlin plötzlich zwischen Traumduft-Fläschchen, Shiatsu-Massagen und Barfußschuhen wieder. Was für sie harte Arbeit und finanzielles Risiko zur Sicherung ihrer Lebensgrundlage bedeutet, wird in Berlin als „Rückkehr zur Natur“ vermarktet und die ausländischen Händler zu „Naturmenschen“ degradiert.

Ach ja, die außen groß angepriesenen „Fair-Trade Produkte“ finden sich seit 3 Jahren am Rande einer Halle auch, vertreten durch ein paar Organisationen und 2-3 Ständchen von Eine-Welt-Läden. Im Gespräch gibt ein Vertreter mir gegenüber zu, dass er sich wundert, zu welchen Preisen bestimmte Produkte hier von afrikanischen Händlern angeboten werden. Fair gehandelt müssten die etwa 30% mehr kosten.

Böse Stimmen haben mir vor Jahren übrigens berichtet, dass am letzten Tag der Messe deutsche Großhändler immer mit Lastwagen vor der Tür stehen und den Händlern alles zu Spottpreisen abkaufen, da diese sich den Rücktransport ihrer Güter nicht leisten können. Immerhin, viele Händler sehe ich seit Jahren dort immer wieder. Irgendwie muss es sich für sie dennoch lohnen. Ist nicht das Ansinnen, den Produzenten solcher Produkte ohne deutsche Zwischenhändler einen Markt zu geben, doch positiv zu bewerten?

Ich sehe zu, wie Schulklassen durch die Gänge streunen, wie drei Teenager den ghanaischen Händler beim Preis von drei Spielzeug-Djemben um ein paar Euro herunterhandeln, später sich dann für 2,- Euro pro Stück ohne Widerspruch eine Brezel bei Ditsch-Stand in der Eingangshalle kaufen und gechillt die Messe wieder verlassen.

Schöne Welt, die einem dort vorgegaukelt wird! Stören eigentlich nur die Obdachlosen, die in der Unterführung vor der S-Bahn leben. Die bekommen weder etwas von den Traumdüften oder Barfußschuhen ab – dabei leben sie doch ganz „nah an der Natur“.