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Rassismus zu verschenken

Verschenkekisten sind eine feine Sache. Da legt man das Zeug, das man nicht mehr braucht, vor die Tür. Jemand, der es noch gebrauchen kann, nimmt es sich mit. Und wenn der nichts mehr damit anzufangen weiß, stellt er es wiederum raus für den nächsten. Das ist nicht nur billig, sondern auch Ressourcen schonend. Aber ist das auch immer klug?

Ich habe in den letzten Monaten mal solche Boxen nach Kinderliederbüchern durchgeschaut. Das ist ja so eine Sorte von Literatur, die man immer nur für ein paar Jahre braucht und die danach verstaubt, bis die nächsten Kinder in der Familie geboren werden. Ideale Tauschware also für Verschenkekisten.

Wenn ich mir nun aber die Bücher anschaue, die da im Augenblick so hin und her geschenkt werden, wundere ich mich nicht mehr, dass meine Studierenden noch so manches Kinderlied kennen, das seit Jahrzehnten nicht mehr in Neuauflagen abgedruckt wird. Hier etwa das harmlos klingende „Kinderliederbuch“ von Sigrid Dückert aus dem Jahr 1948. Da war die nationalsozialistische Ideologie, die auch gegen Schwarze gerichtet war, gerade drei Jahre vorbei. Und selbstverständlich findet sich da dennoch das Lied von den „10 kleinen N.“

Unbestritten handelt es sich hierbei um ein Lied mit einem durch und durch rassistischen Text. Es ist ja grundsätzlich schon eigenartig, wie Eltern es mal gut finden konnten, ein Lied zu singen, in dem in jeder Strophe ein Kleinkind ums Leben kommt. Was soll daran lustig sein, außer man ist der Ansicht, dass diese Schwarzen Kinder keine gleichwertige Lebensberechtigung besitzen. Aus historischer Sicht erkennt man den rassistischen Hintergrund schon allein daran, dass die Kinder, hier alles Mädchen, alle stereotyp naiv die dargestellt werden und kaum voneinander zu unterscheiden sind. Sehen alle so aus oder sind sie die Geschwister?

Das ist bei weitem kein Einzelfall. Ein paar Wochen später entdecke ich dieses Buch mit den angeblich „schönsten“ Kinderliedern, herausgegeben von Ernst Klusen in der letzten Auflage von 2009 (!). Und wieder eine sehr ähnliche Darstellung. Nur in den Farben der T-Shirts unterscheiden sich die Kinder mit den erhobenen Armen, diesmal sind es Jungs. Was soll daran „schön“ sein? Werden diese Lieder wirklich von meinen Nachbarn noch gesungen?

Gehört so etwas in eine Verschenkekiste oder sollten diese Bücher nicht eher im Aktenschredder landen? Denn das Schlimme ist ja, das Lied wird tatsächlich weiter reproduziert. Ein österreichischer Verlag gibt das Lied als Gedicht zum Zählenlernen immer noch heraus und ist sich nicht zu blöd, das N.-Wort mit „Kinderlein“ zu retuschieren. Die Bilder bleiben aber erhalten, zehn Schwarze Mädchen mit dem gleichen Afro-Look.

Ich ertappe mich seit diesen Entdeckungen dabei, wie ich die Kisten vor den Häusern weiterhin interessiert durchsuche. Aber nicht mehr, um Passendes für mich zu finden, sondern um bestimmte Bücher auszusortieren und in mein sicheres Privatarchiv abzulegen. Wo wie gesundheitsschädliche Medizin Kindern nicht zugänglich sind.

Deutsch-chinesische Freundschaft? Wie „3 Chinesen mit dem Kontrabass“ bebildert werden

Viele Leser*innen der Hannoverschen Allgemeinen bringt es in Rage, dass ich gewagt habe zu behaupten, dass ich das Kinderlied „3 Chinesen mit dem Kontrabass“ aufgrund seiner Benutzung im Mobbing-Kontext und seines historischen Ursprungs nicht für harmlos, sondern rassistisch halte (Genaueres dazu hier). Nehmen wir mal für einen Augenblick Abstand von persönlichen Angriffen und widmen uns der Frage, wie das Lied in den heute gängigen Kinderliederbüchern bebildert wird. Das könnte ja auch Aufschluss darüber geben, wie es verstanden werden soll.

Beginnen wir mit der billigen, aber weit verbreiteten Publikation „Das traditionelle Kinderliederbuch“ vom Label „Lamp und Leute“. Neben zur Hochzeit verkleideten Vögeln und zu Prinzessin und Ritter verkleideten Kindern finden sich gleich auf dem Titel drei Kinder in folkloristischen Kostümen und mit Dreieckshüten, deren Augenform ihre asiatische Herkunft deutlich markiert. Sie halten einen viel zu klein geratenen Kontrabass wie eine Gitarre – ist das also alles nur ein Kinderspiel? So weit so lustig, im Gegensatz zu der Verfolgungsszene zwischen Fuchs und Gans darunter, bei der die Gans um ihr Leben fliegt, wird bei den Chinesen der Konflikt mit der Polizei, der die Pointe des Liedes ausmacht, einfach weggelassen. So lässt sich natürlich ein Lied einfach verharmlosen. Wenn’s dramatisch wird, hören wir einfach weg. (Das Bild im Buch stellt wieder drei Kinder dar, diesmal mit 3 Kontrabässen, aber weiterhin ohne Polizisten).

Da ist die liebevoll produzierte Publikation der „Kinderlieder“ vom Carus-Verlag schon ehrlicher. Im Anschnitt sehen wir drei Männerfüße und Beine, einen Kontrabass und einen Geldhut mit chinesischem (?) Bommel, der die Personen als Straßenmusikanten klassifiziert. Im Vordergrund steht ein deutscher Polizist, der die linke Faust schon verdächtig nah an den Handschellen hat. Was muss man eigentlich verbrochen haben, dass einen die Polizei abführen will, wenn man zu dritt mit einem Instrument auf der Straße steht und sich was erzählt? (Von Musikmachen ist in dem Lied nirgends die Rede!) Und was ist daran lustig außer der Tatsache, dass es eben Chinesen trifft?

Der „große Ravensburger Liederschatz“ wiederum scheint sich selbst nicht ganz sicher zu sein, was es mit dem Lied auf sich hat. Hier sind drei chinesische Kinder zu sehen, die Angst zu haben scheinen. Eines versteckt sich hinter dem riesigen Kontrabass, ein anderes fordert mit der Fingergeste die anderen zum Schweigen auf. Der Polizist steht in einigem Abstand wütend mit Händen in den Hüften vor ihnen, es handelt sich aber um ein Tier in Uniform. Die Gans, die sich vollkommen unerwartet ebenfalls vor die Kinder gestellt hat, legt nahe, dass es sich bei dem Beamten um einen Fuchs handeln soll (es könnte aber auch ein Hund oder Bär sein). Wie auch immer, gezeigt wird offensichtlich eine Konfrontationssituation, für die es keinen rechten Grund gibt, außer der Tatsache, dass die Kinder Chinesen sind. Ist das nun kein Racial Profiling oder was?

Die mit aufwendigen Bildern versehene Publikation von Ludvik Glazer-Naudé zeigt dagegen drei erwachsene chinesische Männer, erneut in folkloristischen Kostümen, die zwar über Bildung verfügen (sie singen zusammen aus einem Buch), aber offensichtlich keine Ahnung vom westlichen Kontrabass besitzen. So wie sie ihn halten und zu dritt spielen, kann da kein Wohlklang bei rauskommen. Zeigt sich hier keine weiße Überheblichkeit?

Dass das Bild in diesem Liederband nahtlos in die (chinesische?) Mauer übergeht, und dazu das Lied mit dem Schädling der tanzenden Wanze folgt – ein Zufall? Seltsam nur, dass der Ravensburger Verlag diese beiden Lieder ebenfalls nebeneinander abdruckt. Ich erinnere mich da an einen anderen Kinderreim über Chinesen, „Ching Chang Chong, Chinesen sein nicht dumm…“, in dem es auch die Diskriminierung von Chinesen im Zusammenhang mit Insekten geht.

Brauche ich da noch zu erwähnen, dass Chines*innen in Deutschland in den weiteren Strophen des Liedes mit den Vokalveränderungen wahrnehmen, dass man sich versucht über ihre Sprache lustig zu machen? Dass Asiat*innen immer wieder berichten, dass sie mit diesem Lied in Kindergarten und Schule gemobbt wurden und die Lehrer*innen das Lied nicht aus ihrem Programm nahmen, selbst wenn sich die Eltern und Betroffenenverbände beschwerten?

Immerhin, ich freue mich auch über eine Reihe von privaten Emails von Menschen, die das Interview gelesen haben, mich in der Interpretation dieses Liedes bestärken.

Die Zauberflöte – eine Kinderoper?

Prinz und Prinzessin, Königin und König, und dazu noch ein leicht verrückter verkleideter Vogelfänger, das alles macht Mozarts Zauberflöte bevorzugt zu einer Kinderoper. Selbst wenn sich das ganze Prüfungstrara und die Weisheitslehre nur bedingt an Kleinkinder vermitteln lassen. Eignet sich die Oper aber heute wirklich noch für meine Kinder?

Ich greife mal nach den beiden handelsüblichen Kinderbüchern, die eine abgespeckte Version der Oper in Märchenform bereitstellen. Wie gehen die denn mit der stereotypen Rolle des „Mohren“ Monostatos um, einem afrikanischen Sklaven am Herrscherhof von Sarastro, der so gar nicht gut wegkommt in der Geschichte. Meine Kinder wissen schließlich, dass ich beruflich viel in Afrika unterwegs bin.

Christiane Lesch und Jakob Streit (Verlag Freies Geistesleben, 1989) folgen dem Libretto der Oper und führen Monostatos mit den Worten ein „Doch der Aufseher der Sklaven, der Mohr Monostatos, war ein ekliger Kerl.“ Er will Pamina fesseln und sie „in seine Gewalt bekommen“. Gut, es wird nicht verallgemeinert auf Charaktereigenschaften aller Afrikaner, aber da Monostatos der einzige Schwarze in dem Stück ist, trägt das schon zu einer Stereotypisierung bei. In dem dazugehörigen Bild werden zudem alle visuellen Stereotype, mit denen Schwarze seit der Renaissance versehen wurden, reproduziert. 

Als sich Monostatos und Papageno wenig später gegenüber stehen, stößt der Vogelmensch nur „einen Schrei“ aus, während der Schwarze „mit Gebrüll“ verschwindet. Als Papageno bei einer erneuten Attacke sein Glockenspiel erklingen lässt, müssen Monostatos und seine Häscher tanzen, „ob sie wollen oder nicht“. Als Tamino später Pamina bei ihrem ersten Treffen umarmt, springt er „wie ein böser Wachhund hinter ihm her“. Möchte ich, dass meine Kinder so einen solchen animalischen Eindruck von Menschen aus Afrika bekommen? 

Marco Simsa und Doris Eisenburger (Annette Betz, 2005) drücken sich im Text vorsichtiger aus und versuchen die Verbindung von Hautfarbe und Charaktereigenschaft zu vermeiden.  Da ist nur von dem „strengen Wärter Monostatos“ die Rede, der „seine Aufgabe allzu ernst“ nimmt. Er „erschrickt“ genauso wie Papageno „erschrickt“, als die beiden sich gegenüber stehen. Der “grimmige Monostatos“ wird durch Papagenos Glockenspiel „harmlos und richtig zahm“. Er geht bei der Umarmung von Tamino und Pamina auch nur „dazwischen“, weil so eine Intimität vor den Augen Sarastros „zu weit geht“. Schön gedacht – nur sprechen die Bilder dazu mit den stereotypen dicken Lippen, der geradezu karikaturhaften Körperfigur und den orientalischen Klamotten eine andere Sprache. Da sehen wir wieder den „Mohr“, wie ihn auch die Schokoladenfirma Sarotti darstellt.

Nicht zu vergessen übrigens die Begleit-CD, in denen wie in allen anderen Aufnahmen die Originaltexte zu hören sind, wie etwa in der Arie des Monostatos: „weil ein Schwarzer hässlich ist“. 

Vor ein paar Wochen konnte ich übrigens in Chemnitz erleben, dass das alles nicht sein muss. In der dortigen Inszenierung der Zauberflöte wurden nicht nur die Dialoge, sondern auch die Gesangstexte von allen rassistischen Aussagen bereinigt. Aus „weil ein Schwarzer hässlich ist“ wird „weil ein Sklave hässlich ist“ und aus „Weiß, ist schön, ich muss sie küssen“ wird „sie ist schön, ich muss sie küssen“. So wird das Übergriffige, das die Rolle des Monostatos nun mal verkörpert, beibehalten, aber ohne Bezug zu einer Hautfarbe. Vielleicht war das auch eine Regieentscheidung, weil der Tamino sehr überzeugend von einem Schwarzen Südafrikaner gesungen wurde? 

Aber bis meine Kinder groß genug sind, dass ich sie in eine abendfüllende Oper mitnehmen kann, wird es noch etwas dauern. Was mache ich bis dahin? 

Tina Turner hinterm Tresen?

Alle Bäckereien suchen heutzutage Verkäuferinnen. Überall sehe ich Werbung dafür. Ich bin wirklich überrascht. Niemand nimmt da jemand eine Arbeitsstelle weg. Würden alle Arbeitssuchenden so einen Job annehmen, hätten wir wahrscheinlich Vollbeschäftigung in Deutschland und alle rechtzeitig ihre Lieblingsbrötchen auf dem Frühstückstisch.

Aber anscheinend ist die Arbeit so unattraktiv oder so schlecht bezahlt, dass die Werbung für Verkaufsfachkräfte immer aggressiver wird. Wie hier bei der Bäckerei, die sich direkt neben unser Musikhochschule mit recht vielen internationalen Studierenden befindet.

Ich versuche, den Werbespruch und die Bildaussage mal zu begreifen. Die Betreiber suchen also „Rockstars im Verkauf“ und zeigen dazu eine lächelnde Frau mit dunkler Hautfarbe und schwarzen Locken, die mit verschränkten Armen abwartend hinter dem Tresen steht. Im Hintergrund sortiert ein weißer Mann mit kurzen blond-braunen Haaren recht geschäftig längliche Brote in ein Regal ein.

Verstehe ich jetzt „Rockstars“ mal im üblichen Sinne, dann reden wir von einer populären Sängerin. Warum muss die dann Schwarz sein? Eine Art Tina Turner Double hinter den Bäckertresen? Wozu? Mit „simply the best“ die Brötchen oder die Brötchenkäufer besingen, während der Mann hinter ihr routiniert seine Brot-Stange ins passende Regal schiebt?

Oder wollte die Werbeagentur sich einen Scherz erlauben und spielte mit dem deutsch-englischen Wort „Rock“? Schade, dass wir nur den oberen Teil der Schürze der Frau sehen und nicht den Rock, den sie darunter tragen könnte. Dann versprechen sie also Frauen einen Star-Status, während sie belegte Baguettes und Kaffee To-go abkassiert? Bin mir nicht so sicher, ob diese Rechnung aufgeht. Außerdem erklärt mir das die „m/w/d“ Ansprache nicht. Sollen „m“ und „d“ auch im Rock im Laden stehen? Da hätte ich gerne mehr Informationen dazu.

Oder wollen Betreiber der Bäckereikette vielleicht die internationalen Studierenden und People of Color unseres Popmusik-Studienganges ansprechen, nach dem Motto: „Hört mal, ist ja schön, dass ihr hier studiert, aber bildet euch nicht zu viel ein. Als ethnisch markierte Personen werdet ihr in Deutschland doch irgendwann hinter dem Tresen landen. Aber ist ja nicht so schlimm, die Arbeitsplätze sind ja „sicher und langfristig“.

Wäre mal spannend zu erfahren, wie die Werbung von Göing zwischen 1920 und 1945 aussah, wenn die auf ihre Traditionen so stolz sind. Das Tragische ist, dass die Bäckerei wirklich ganz ausgezeichnete Backwaren produziert. So dass ich sie nicht mal guten Gewissens boykottieren kann.

Tschinglibunglitangliwang ist kein Chinesisch!

Während meine 4jähige Tochter in der Kinderbuchecke unser Stadtteilbibliothek kramt, schaue ich mal, was die öffentlichen Bibliotheken in Berlin für Musikliteratur für Kinder angemessen halten. Da steht gleich in zwei Ausgaben „Drei Chinesen mit ’nem Kontrabass. Die bekanntesten Lieder und Verse zum Unsinnmachen, Wandern, Spielen und Singen“, herausgegeben 1991 in München. 

Bereits auf Seite 14 werde ich erschlagen von dem Lied „Heiss brennt die Äquatorsonne“, in dem Herr und Frau Ovambo „Kalitsch-ka-kau-ka tschulima“ und „wumba, wumba“ singen, bevor sie ihren Mann erschlägt. Dabei wird sich nicht nur über den Klang afrikanischer Sprachen lustig gemacht, sondern auch die Bildwelt dazu strotzt nur von stereotypen Darstellungen.

Eine Seite weiter ist das Lied „Ein Mann fuhr ins Chinesenland“ abgedruckt, in dem mal ein der Kapitän einer Dschunke „Yeng Tschinglibunglitangliwang“ genannt wird, mal ein Ort in China, mal ein Gasthof, mal ein Essen und mal ein Stoffvorhang. Das Ganze gipfelt in:

„Und die Moral von der Geschicht‘
Fahr mit dem Schiff nach China nicht,
und folge niemals innrem Drang 
nach Tschinglibunglitangliwang“

Das ist nicht das einzige anti-chinesische Lied in dem Buch. Es geht weiter mit „In Chinesien, in Chinesien/ lebte einst ein holdes Wesien“. Diese Frau wird von ihrem Mann, einem „Großmogul von Tiabet“, geschlagen, der zudem ihre gemeinsamen Kinder isst, bis sie ihn schließlich umbringt: „Hier ist endlich die Morale,/ Werd nie ein Kannibale“

Aber die Herausgeber lieben es nicht nur, „Unsinn“ über Afrikaner und Chinesen „zu machen“, sondern es bekommen auch noch die Inuit was ab. Das Lied „Es lebt‘ in dulci jubilo“ schildert die Liebesgeschichte zwischen einem „Eskimo“ und einer „Eskimaid“, die er mal „Eskimiez“ mal „Eskimaus“ nennt, bis der „Eskimohr“ kommt und aus Eifersucht beide umbringt. Darauf erscheint der „Eskimops“ und zerfleischt wiederum diesen. Ach ja, und ein „Indianerhäuptling“ singt natürlich auch noch „zigge, zigge, zumba, zumba, zum!“

Soll ich diese Lieder ernsthaft mit meiner Tochter zusammen singen? Was würden die Kinder mit chinesischer Mutter und togolesischen Vater in ihrer Kita sagen, wenn meine Tochter dann diese Lieder tagsüber vor sich hin trällern würde beim „Spielen und Singen“?

Interessanterweise finden sich in dieser Publikation auch all die Lieder wieder, die immer noch in fast jedem Kinderliederbuch stehen und als angeblich harmlose Kinderlieder bezeichnet werden, wie „Lustig ist das Zigeunerleben, faria faria ho!“, „Drei Chinesen mit dem Kontrabaß“ oder „Die Affen rasen durch den Wald“. Bei letzterem zeigt sich durch die Abbildung nur allzu deutlich, dass es sich bei den Affen in T-Shirt und Hosen durchaus nicht nur um Tiere, sondern auch um eine bestimmte Sorte von Menschen handeln könnte.

Das ist also das rassistische Umfeld, aus dem diese Lieder entstammen, die sich erstaunlich gut in der Kinderpädagogik halten. 

Als ich noch jung war, konnte man an den Stempeln am Ende des Buches immer sehen, wie viele Leute das lesen und wann es das letzte Mal ausgeliehen wurde. Das würde mich be diesem Buch wirklich interessieren. Denn ganz nebenbei – das ist das einzige Kinderliederbuch, das dort im Regal steht und Menschen außerhalb des deutschen Kulturkreises thematisiert. Es gibt hier keine Alternative!

Wenn jedoch ausschließlich mit diesen Liedern Kindern fremde Kulturen vermittelt werden, darf man sich wirklich nicht wundern, wenn bestimmte Politiker auf einmal sich dazu berufen fühlen, die Segnungen des europäischen Kolonialismus zu preisen. 

Verstörende Farben des Klezmers

Jüdische Klezmer-Musik ist Richtung Weihnachtsfest immer wieder populär, auch wenn die Musik so gar nichts mit dem christlichen Fest zu tun hat. Das Saxophon ist zwar nicht gerade das Instrument, dass ich mit dem Musikstil verbinden würde, aber wir wollen mal nicht kleinlich sein. Es überrascht mich vielmehr, wenn bei der Eigenwerbung für ein Konzert die Farbkontraste Schwarz-Gelb verwendet werden. Zufall?

Das waren schon in den 1930er Jahren die Farben des zwanghaft verordneten „Judensterns“, den alle tragen mussten, die von den Nazis als solche rassistisch klassifiziert wurden. Und was sollen auf diesem Plakat eigentlich die Flammen im Hintergrund sein? Brennende Synagogen?

Und wenn wir in die Richtung weiterdenken – erinnert sich jemand an das Nazi-Plakat zu „entarteter Musik“? Darauf ist das Saxophon in der Hand einer Karikatur eines Afro-Amerikaners im schwarzen Anzug zu sehen, der ebenfalls einen „Judenstern“ trägt. Noch so ein Zufall?

Ich könnte noch ergänzen, dass die Hälfte des „Judensterns“ sogar in den Bilddiagonalen dieses Werbeplakates zu erkennen ist. Natürlich schon wieder ein totaler Zufall.

Für diejenigen, die sich vielleicht noch nie damit beschäftigt haben. In der Regel wissen die Klezmer-Gruppen, wie sie sich auf ihren Bildern präsentieren, ohne antisemitische Symboliken zu bemühen.

(Update März 2019: Obwohl – auch nicht immer…“

Touristische Traumanalyse

„Statt träumen selbst erleben“, so bewirbt ein großes Reiseunternehmen seine „abwechslungsreichen Kulturreisen“. Ganz gleich ob Südamerika oder Afrika, die Berge sehen in der Ferne immer schöner aus als daheim. Das zieht besonders zu dieser Jahreszeit, in der hier alles nur grau-in-grau erscheint. Zum Programm gehören auch die Traumpreise, die das Reiseunternehmen von den Interessierten allerdings nicht nur erträumt, sondern real abkassieren möchte. Aber das soll ja nicht mein Problem sein.

Interessanter ist doch, was die Veranstalter unter „Kultur“ verstehen und einem visuell unter die Nase reiben wollen. Das ist Landschaften, Tiere und fremd wirkende Menschen in bunten Klamotten. Die ihre Stoffe sogar noch selber weben – innig. leicht und tänzerisch sind sie da bei der Sache, wenn ich das richtig interpretiere.
Reisebusse und Flugzeuge, klimatisierte Hotels, geteerte Straßen und der Müll, den Touristen hinterlassen, sind anscheinend keine Kultur. Städte auch nur, wenn sie historisch und verfallen sind wie Machu Picchu.

Als Höhepunkte der Reise empfinde ich anhand dieser Bilder jedoch die Nähe zwischen kulturfremden Menschen und wilden Tieren. Man könnte beinahe sagen, sie entsprechen sich. Lachende Frauen mit geöffnetem Mund neben Löwen mit geöffneten Mund. Eine schweigend nachdenklich sitzende Frauengruppe neben einem Affen, der ebenso fragend in die Welt schaut. Die Unterschiede verwischen.

Und ich frage mich – mit Freud im Hinterkopf – auf welche Traumsymboliken hier zurückgegriffen werden soll. Die Wildheit der fremden Kulturmenschen oder die Fremdheit der wilden Tiere? Was steht hier für was?
„Atemberaubend“ nennt der Reiseveranstalter sein Angebot im Verlauf der Anzeige auch noch. Es verschlägt mir bei den Bildern schon den Atem.

Ein El Dorado für „Gastindianer“?

Jedes Jahr aufs Neue staune ich über diese Werbung. Ein El Dorado in Brandenburg? Und was bitte habe ich unter „Gastindianern aus aller Welt“ zu verstehen? Dürfen die bei uns nur zu Gast sein? Oder können die in allen Ländern außerhalb Amerikas aufgrund ihrer ethnischen Abstammung immer nur Gäste bleiben? Oder wollen die Veranstalter damit etwa ausdrücken, dass sie neben „Verkleideten“ auch „echte Indianer“ vorweisen können?

Dieses Rollenspiel-Western-Spektakel im Stile einer kolonialen Völkerschau soll anscheinend als Familienunterhaltung gedacht sein. Es klärt einen dabei über die Verbindungen zwischen „Indianer Pow Wow“ und „Hula“ auf. Aber was ist an einer artistischen Nummer, die man in jedem anderen Varieté ebenso sehen kann, so „indianisch“ – abgesehen von der Kleidung und der Hautfarbe des Artisten? Geht es also doch nicht eher um pure Anwesenheit eines „Gastindianers“ und gar nicht um das, was er auf der Bühne macht?

Wobei ich an Stelle des Artisten Angst hätte, dass mir einer der Reifen am Halse stecken bleibt. Schließlich wurde die AfD in der Uckermark im September 2017 bei der Bundestagswahl zur zweitstärksten Kraft. Die Politiker dieser Partei haben bereits hierzulande die Absicht, sich „ihr Land zurückzuholen“. Mit dem Begriff „Landnahme“ und deren Folgen sollten sich Native Americans eigentlich mehr als gut auskennen.

Da würde ich mir als „Gastindianer“ noch mal überlegen, ob ich mich 2018 wieder nach Templin auf den Weg mache. Oder vielleicht sollten sich die vernünftigen Besucherinnen und Besucher überlegen, ob sie nicht besser ihre Cowboy-Hüte absetzen, und sich klarmachen, dass der Wilde Westen nicht nur eine glorreiche Film-Fantasiewelt ist. Für bestimmte Volksgruppen war sie eine bittere Realität und endete in einer beinahe vollkommenen Zerstörung ihrer Kulturen. Wäre es nicht besser, die Produzenten einer solchen Veranstaltung in der Uckermark versanden zu lassen?

Black Power für White Energy?

Ist das nicht genial, was mich da letztes Jahr am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin an der Werbewand begrüßte? Das Berliner Energieunternehmen macht Werbung mit einer Berliner Berühmtheit. Ivy Quainoo, in Berlin geborene Afro-Deutsche und Gewinnerin der ersten Staffel von „Voice of Germany“. Könnte es noch bessere Synergie-Effekte geben, als die Verbindung von Gas mit übersprudelnder Gesangspower?

Leider stimmt hier eine Menge nicht. Denn Ivy wird keinesfalls als Berlinerin gezeigt. Mit Afro-Kitsch Hals- und Armketten und Rasta-Frisur, lachend und singend – kann man überhaupt mehr afrikanische Stereotype in einem Bild integrieren? Dagegen im Hintergrund, umgeben von hochtechnisierten Videoleinwänden, der Weiße Bärliner, der sogar schreiben kann. Da muss es sich um ein besonders intelligentes Tier handeln. Oder sollte ich besser sagen um einen Stellvertreter für die Weißen Berliner?

Einfach wechseln & sparen? Mit mir sicherlich nicht.