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Deutsch-chinesische Freundschaft? Wie „3 Chinesen mit dem Kontrabass“ bebildert werden

Viele Leser*innen der Hannoverschen Allgemeinen bringt es in Rage, dass ich gewagt habe zu behaupten, dass ich das Kinderlied „3 Chinesen mit dem Kontrabass“ aufgrund seiner Benutzung im Mobbing-Kontext und seines historischen Ursprungs nicht für harmlos, sondern rassistisch halte (Genaueres dazu hier). Nehmen wir mal für einen Augenblick Abstand von persönlichen Angriffen und widmen uns der Frage, wie das Lied in den heute gängigen Kinderliederbüchern bebildert wird. Das könnte ja auch Aufschluss darüber geben, wie es verstanden werden soll.

Beginnen wir mit der billigen, aber weit verbreiteten Publikation „Das traditionelle Kinderliederbuch“ vom Label „Lamp und Leute“. Neben zur Hochzeit verkleideten Vögeln und zu Prinzessin und Ritter verkleideten Kindern finden sich gleich auf dem Titel drei Kinder in folkloristischen Kostümen und mit Dreieckshüten, deren Augenform ihre asiatische Herkunft deutlich markiert. Sie halten einen viel zu klein geratenen Kontrabass wie eine Gitarre – ist das also alles nur ein Kinderspiel? So weit so lustig, im Gegensatz zu der Verfolgungsszene zwischen Fuchs und Gans darunter, bei der die Gans um ihr Leben fliegt, wird bei den Chinesen der Konflikt mit der Polizei, der die Pointe des Liedes ausmacht, einfach weggelassen. So lässt sich natürlich ein Lied einfach verharmlosen. Wenn’s dramatisch wird, hören wir einfach weg. (Das Bild im Buch stellt wieder drei Kinder dar, diesmal mit 3 Kontrabässen, aber weiterhin ohne Polizisten).

Da ist die liebevoll produzierte Publikation der „Kinderlieder“ vom Carus-Verlag schon ehrlicher. Im Anschnitt sehen wir drei Männerfüße und Beine, einen Kontrabass und einen Geldhut mit chinesischem (?) Bommel, der die Personen als Straßenmusikanten klassifiziert. Im Vordergrund steht ein deutscher Polizist, der die linke Faust schon verdächtig nah an den Handschellen hat. Was muss man eigentlich verbrochen haben, dass einen die Polizei abführen will, wenn man zu dritt mit einem Instrument auf der Straße steht und sich was erzählt? (Von Musikmachen ist in dem Lied nirgends die Rede!) Und was ist daran lustig außer der Tatsache, dass es eben Chinesen trifft?

Der „große Ravensburger Liederschatz“ wiederum scheint sich selbst nicht ganz sicher zu sein, was es mit dem Lied auf sich hat. Hier sind drei chinesische Kinder zu sehen, die Angst zu haben scheinen. Eines versteckt sich hinter dem riesigen Kontrabass, ein anderes fordert mit der Fingergeste die anderen zum Schweigen auf. Der Polizist steht in einigem Abstand wütend mit Händen in den Hüften vor ihnen, es handelt sich aber um ein Tier in Uniform. Die Gans, die sich vollkommen unerwartet ebenfalls vor die Kinder gestellt hat, legt nahe, dass es sich bei dem Beamten um einen Fuchs handeln soll (es könnte aber auch ein Hund oder Bär sein). Wie auch immer, gezeigt wird offensichtlich eine Konfrontationssituation, für die es keinen rechten Grund gibt, außer der Tatsache, dass die Kinder Chinesen sind. Ist das nun kein Racial Profiling oder was?

Die mit aufwendigen Bildern versehene Publikation von Ludvik Glazer-Naudé zeigt dagegen drei erwachsene chinesische Männer, erneut in folkloristischen Kostümen, die zwar über Bildung verfügen (sie singen zusammen aus einem Buch), aber offensichtlich keine Ahnung vom westlichen Kontrabass besitzen. So wie sie ihn halten und zu dritt spielen, kann da kein Wohlklang bei rauskommen. Zeigt sich hier keine weiße Überheblichkeit?

Dass das Bild in diesem Liederband nahtlos in die (chinesische?) Mauer übergeht, und dazu das Lied mit dem Schädling der tanzenden Wanze folgt – ein Zufall? Seltsam nur, dass der Ravensburger Verlag diese beiden Lieder ebenfalls nebeneinander abdruckt. Ich erinnere mich da an einen anderen Kinderreim über Chinesen, „Ching Chang Chong, Chinesen sein nicht dumm…“, in dem es auch die Diskriminierung von Chinesen im Zusammenhang mit Insekten geht.

Brauche ich da noch zu erwähnen, dass Chines*innen in Deutschland in den weiteren Strophen des Liedes mit den Vokalveränderungen wahrnehmen, dass man sich versucht über ihre Sprache lustig zu machen? Dass Asiat*innen immer wieder berichten, dass sie mit diesem Lied in Kindergarten und Schule gemobbt wurden und die Lehrer*innen das Lied nicht aus ihrem Programm nahmen, selbst wenn sich die Eltern und Betroffenenverbände beschwerten?

Immerhin, ich freue mich auch über eine Reihe von privaten Emails von Menschen, die das Interview gelesen haben, mich in der Interpretation dieses Liedes bestärken.