Prinz und Prinzessin, Königin und König, und dazu noch ein leicht verrückter verkleideter Vogelfänger, das alles macht Mozarts Zauberflöte bevorzugt zu einer Kinderoper. Selbst wenn sich das ganze Prüfungstrara und die Weisheitslehre nur bedingt an Kleinkinder vermitteln lassen. Eignet sich die Oper aber heute wirklich noch für meine Kinder?
Ich greife mal nach den beiden handelsüblichen Kinderbüchern, die eine abgespeckte Version der Oper in Märchenform bereitstellen. Wie gehen die denn mit der stereotypen Rolle des „Mohren“ Monostatos um, einem afrikanischen Sklaven am Herrscherhof von Sarastro, der so gar nicht gut wegkommt in der Geschichte. Meine Kinder wissen schließlich, dass ich beruflich viel in Afrika unterwegs bin.
Christiane Lesch und Jakob Streit (Verlag Freies Geistesleben, 1989) folgen dem Libretto der Oper und führen Monostatos mit den Worten ein „Doch der Aufseher der Sklaven, der Mohr Monostatos, war ein ekliger Kerl.“ Er will Pamina fesseln und sie „in seine Gewalt bekommen“. Gut, es wird nicht verallgemeinert auf Charaktereigenschaften aller Afrikaner, aber da Monostatos der einzige Schwarze in dem Stück ist, trägt das schon zu einer Stereotypisierung bei. In dem dazugehörigen Bild werden zudem alle visuellen Stereotype, mit denen Schwarze seit der Renaissance versehen wurden, reproduziert.
Als sich Monostatos und Papageno wenig später gegenüber stehen, stößt der Vogelmensch nur „einen Schrei“ aus, während der Schwarze „mit Gebrüll“ verschwindet. Als Papageno bei einer erneuten Attacke sein Glockenspiel erklingen lässt, müssen Monostatos und seine Häscher tanzen, „ob sie wollen oder nicht“. Als Tamino später Pamina bei ihrem ersten Treffen umarmt, springt er „wie ein böser Wachhund hinter ihm her“. Möchte ich, dass meine Kinder so einen solchen animalischen Eindruck von Menschen aus Afrika bekommen?
Marco Simsa und Doris Eisenburger (Annette Betz, 2005) drücken sich im Text vorsichtiger aus und versuchen die Verbindung von Hautfarbe und Charaktereigenschaft zu vermeiden. Da ist nur von dem „strengen Wärter Monostatos“ die Rede, der „seine Aufgabe allzu ernst“ nimmt. Er „erschrickt“ genauso wie Papageno „erschrickt“, als die beiden sich gegenüber stehen. Der “grimmige Monostatos“ wird durch Papagenos Glockenspiel „harmlos und richtig zahm“. Er geht bei der Umarmung von Tamino und Pamina auch nur „dazwischen“, weil so eine Intimität vor den Augen Sarastros „zu weit geht“. Schön gedacht – nur sprechen die Bilder dazu mit den stereotypen dicken Lippen, der geradezu karikaturhaften Körperfigur und den orientalischen Klamotten eine andere Sprache. Da sehen wir wieder den „Mohr“, wie ihn auch die Schokoladenfirma Sarotti darstellt.
Nicht zu vergessen übrigens die Begleit-CD, in denen wie in allen anderen Aufnahmen die Originaltexte zu hören sind, wie etwa in der Arie des Monostatos: „weil ein Schwarzer hässlich ist“.
Vor ein paar Wochen konnte ich übrigens in Chemnitz erleben, dass das alles nicht sein muss. In der dortigen Inszenierung der Zauberflöte wurden nicht nur die Dialoge, sondern auch die Gesangstexte von allen rassistischen Aussagen bereinigt. Aus „weil ein Schwarzer hässlich ist“ wird „weil ein Sklave hässlich ist“ und aus „Weiß, ist schön, ich muss sie küssen“ wird „sie ist schön, ich muss sie küssen“. So wird das Übergriffige, das die Rolle des Monostatos nun mal verkörpert, beibehalten, aber ohne Bezug zu einer Hautfarbe. Vielleicht war das auch eine Regieentscheidung, weil der Tamino sehr überzeugend von einem Schwarzen Südafrikaner gesungen wurde?
Aber bis meine Kinder groß genug sind, dass ich sie in eine abendfüllende Oper mitnehmen kann, wird es noch etwas dauern. Was mache ich bis dahin?