Archiv für den Monat: März 2020

Masken als interkulturelle Vermittlung?

Mit Ritterrüstungen zum Spielen, Holzschwertern, Prinzessinnenkostümen und Plastikkronen kann man Kinder eine Weile beschäftigen. Das europäische Mittelalter ist zu einer festen Komponente der kindlichen Vorstellungswelt geworden, genau so wie die erträumte „Indianer“-Umgebung.

Da ist ja der Gedanke gar nicht so schlecht, sich im Zeichen von interkultureller Vermittlung mal nach Alternativen umzusehen, die etwas mehr mit der Realität zu tun haben. Tatsächlich gibt es ja in Afrika und Asien durchaus künstlerische und religiöse Traditionen, die da Anknüpfungspunkte bieten würden. So mögen sich das A.G. Smith und Josie Hazen gedacht haben, als sie Bastelvorlagen für afrikanische und japanische Masken für den Museum-Shop entwickelt haben.

Allerdings offenbart sich schon in dem Klappentext eine Bewertung der verschiedenen Traditionen. Die „authentischen“ japanischen Masken werden mit Hinweis auf die lange Theatergeschichte des Landes hochgelobt:

„Masks have played an important role in Japanese den, theater, and ritual for hundreds of years.“

Die „afrikanischen“ Masken dagegen werden exotisiert und als Traditionen von „Stämmen“ degradiert:

„With this fascinating collection, you can create six exotic African masks based on actual tribal artifacts.“   

Ein weißer Blick, der verschiedene Kulturen hierarchisch anordnet, ist aber nur das eine Problem dieser Bastelidee. Was man nämlich mit Schere, Kleber und Tesafilm sich so lustig zusammenbauen kann, stammt im Falle der sogenannten „afrikanischen“ Masken teilweise aus religiösen Kontexten. Das geben die Autoren sogar in ihren zwei Einleitungssätzen zu jeder Maske zu, wie etwa bei der „Dan Ceremonial Mask“ von der nordwestlichen Elfenbeinküste: „They are famous for their art. Their masks, which often represent ancient ancestors, are known for their classic simplicity and their faithfulness to humans features.“ Die „Bobo Butterfly Masks“ aus Burkina Faso „are used primarily in rain and fertility rites“. 

Das kann man jetzt also alles ganz einfach „cut and make“ übernehmen. Gedanken darum, was die entsprechenden Gesellschaften eigentlich darüber denken, dass ihre religiösen Masken nun aus Pappe und Kleber in westlichen Kinderzimmern herumgeistern, scheint sich keiner zu machen.

Ob sich so afrikanische oder japanische Kulturen im Westen so sensibel vermitteln lassen, wage ich zu bezweifeln. Fördert das nicht wie bei den Rittern vielmehr, fremde Kulturen als Phantasie- und Traumwelten wahrzunehmen?

Die Zauberflöte – eine Kinderoper?

Prinz und Prinzessin, Königin und König, und dazu noch ein leicht verrückter verkleideter Vogelfänger, das alles macht Mozarts Zauberflöte bevorzugt zu einer Kinderoper. Selbst wenn sich das ganze Prüfungstrara und die Weisheitslehre nur bedingt an Kleinkinder vermitteln lassen. Eignet sich die Oper aber heute wirklich noch für meine Kinder?

Ich greife mal nach den beiden handelsüblichen Kinderbüchern, die eine abgespeckte Version der Oper in Märchenform bereitstellen. Wie gehen die denn mit der stereotypen Rolle des „Mohren“ Monostatos um, einem afrikanischen Sklaven am Herrscherhof von Sarastro, der so gar nicht gut wegkommt in der Geschichte. Meine Kinder wissen schließlich, dass ich beruflich viel in Afrika unterwegs bin.

Christiane Lesch und Jakob Streit (Verlag Freies Geistesleben, 1989) folgen dem Libretto der Oper und führen Monostatos mit den Worten ein „Doch der Aufseher der Sklaven, der Mohr Monostatos, war ein ekliger Kerl.“ Er will Pamina fesseln und sie „in seine Gewalt bekommen“. Gut, es wird nicht verallgemeinert auf Charaktereigenschaften aller Afrikaner, aber da Monostatos der einzige Schwarze in dem Stück ist, trägt das schon zu einer Stereotypisierung bei. In dem dazugehörigen Bild werden zudem alle visuellen Stereotype, mit denen Schwarze seit der Renaissance versehen wurden, reproduziert. 

Als sich Monostatos und Papageno wenig später gegenüber stehen, stößt der Vogelmensch nur „einen Schrei“ aus, während der Schwarze „mit Gebrüll“ verschwindet. Als Papageno bei einer erneuten Attacke sein Glockenspiel erklingen lässt, müssen Monostatos und seine Häscher tanzen, „ob sie wollen oder nicht“. Als Tamino später Pamina bei ihrem ersten Treffen umarmt, springt er „wie ein böser Wachhund hinter ihm her“. Möchte ich, dass meine Kinder so einen solchen animalischen Eindruck von Menschen aus Afrika bekommen? 

Marco Simsa und Doris Eisenburger (Annette Betz, 2005) drücken sich im Text vorsichtiger aus und versuchen die Verbindung von Hautfarbe und Charaktereigenschaft zu vermeiden.  Da ist nur von dem „strengen Wärter Monostatos“ die Rede, der „seine Aufgabe allzu ernst“ nimmt. Er „erschrickt“ genauso wie Papageno „erschrickt“, als die beiden sich gegenüber stehen. Der “grimmige Monostatos“ wird durch Papagenos Glockenspiel „harmlos und richtig zahm“. Er geht bei der Umarmung von Tamino und Pamina auch nur „dazwischen“, weil so eine Intimität vor den Augen Sarastros „zu weit geht“. Schön gedacht – nur sprechen die Bilder dazu mit den stereotypen dicken Lippen, der geradezu karikaturhaften Körperfigur und den orientalischen Klamotten eine andere Sprache. Da sehen wir wieder den „Mohr“, wie ihn auch die Schokoladenfirma Sarotti darstellt.

Nicht zu vergessen übrigens die Begleit-CD, in denen wie in allen anderen Aufnahmen die Originaltexte zu hören sind, wie etwa in der Arie des Monostatos: „weil ein Schwarzer hässlich ist“. 

Vor ein paar Wochen konnte ich übrigens in Chemnitz erleben, dass das alles nicht sein muss. In der dortigen Inszenierung der Zauberflöte wurden nicht nur die Dialoge, sondern auch die Gesangstexte von allen rassistischen Aussagen bereinigt. Aus „weil ein Schwarzer hässlich ist“ wird „weil ein Sklave hässlich ist“ und aus „Weiß, ist schön, ich muss sie küssen“ wird „sie ist schön, ich muss sie küssen“. So wird das Übergriffige, das die Rolle des Monostatos nun mal verkörpert, beibehalten, aber ohne Bezug zu einer Hautfarbe. Vielleicht war das auch eine Regieentscheidung, weil der Tamino sehr überzeugend von einem Schwarzen Südafrikaner gesungen wurde? 

Aber bis meine Kinder groß genug sind, dass ich sie in eine abendfüllende Oper mitnehmen kann, wird es noch etwas dauern. Was mache ich bis dahin?