Archiv für den Monat: Mai 2019

Die Liebe der Banken zu technisch perfekter Musik

Vordergründig könnte man denken, Banken und Musik haben überhaupt nichts gemein. Musik gilt als eine brotlose Kunst und große Banken sind selten Orte der künstlerischen Kreativität. Umso erstaunlicher ist, wie oft Musiker auf Werbeplakaten von Banken erscheinen.

Wie zu erkennen ist, scheint sich aber nur ein bestimmtes Musikgenre für die Werbung junger Menschen in Deutschland zu eignen: die technisch erstellte, reproduzierbare, medial vermittelte und vermarktete populäre Musik. Ist unsere Musikkultur mittlerweile so heruntergekommen, dass sie sich auf Technik, Digitalisierung und Produktwert reduzieren lässt? Und dass das sogar noch positiv wahrgenommen wird?

Ach nein, es gibt natürlich auch noch die emotionale Seite der Bankgeschäfte, das kulturelle Sponsoring. Angeblich neben dem Fußball das am meisten geliebte Förderobjekt von Banken. Nutznießer davon ist aber selbstverständlich nur die technisch perfekte, leistungsorientierte Hochkultur.

Dabei spielen Banken durchaus eine zentrale Rolle in internationalen Entwicklungen. Es war die Weltbank, die mit ihren Strukturanpassungsprogrammen in den Ländern des Globalen Südens einen mörderischen liberalen Kapitalismus freigesetzt hat. Organisationen wie Western Union dagegen ermöglichen erst die Direktüberweisungen von Afrikaner*innen in der Diaspora zu ihren Verwandten in Afrika, die mittlerweile den dreifachen Umfang der internationalen Entwicklungshilfe ausmachen. Und alle erfolgreichen Weltmusiker wählen sich seit langem schon einen Wohnsitz in einem europäischen Land oder Amerika, weil sich von dort ihr ökonomischer Erfolg besser koordinieren lässt.

Lokale Musiktraditionen überall auf der Welt, die noch aus Freude und Gemeinschaftssinn ganz ohne Gedanken ans Geldverdienen stattfinden, brechen nun gegen die Übermacht der medialen Verbreitung und Vermarktung von Musik vielfach zusammen. Aber das eignet sich aber natürlich nicht zu Werbezwecken für Bankgeschäfte. Dabei müsste genau da investiert werden und nicht in den Bereichen der Musikkultur, wo ohnehin schon genug Geld vorhanden ist.

Neokoloniale Klassik im Regenwald

„Exklusive musikalische Abende im Panorama am Zoo“ „inmitten des faszinierenden Kunstwerks AMAZONIEN“ wird mir in Hannover angeboten. Es ist schon langer nichts Neues mehr, dass Klassik nur noch ein junges Publikum anzieht, wenn sie in einer ungewohnten Umgebung aufgeführt wird. Hier ist es kein Club oder eine Fabrikhalle, sondern eine exotische Welt, die zudem das romantische Musikkonzept von Klang und Natur verbindet: wir können also Streichquartette hören und gleichzeitig ihre Analogien in organischen Strukturen bewundern und den Klangfarben und -atmosphären nachspüren. 

Das kann man alles im europäischen Rahmen so machen, wenn man will. Wahrscheinlich sogar erfolgreich. Allerdings ist der Regenwald kein deutscher Mischwald und die Tropen stellen keine unberührte Natur dar, sondern sind ein politisch und religiös durch den Kolonialismus und die christliche Mission konnotierter Raum. Blasmusik im Regenwald, das gab es nämlich zur Genüge, wenn wir uns zum Beispiel die Missionare und die Schutztruppe in der ehemals deutschen Kolonie Kamerun anschauen. Waren auch „hochtalentierte Nachwuchskünstler?“



Es geht mir hier nicht nur um die visuellen Analogien, die klassische Musik im Regenwald hervorruft. Diese Musizierpraxis war zu kolonialer Zeit auch mit einem Ziel verbunden, nämlich die Schwarzen „zu zivilisieren“ und gleichzeitig westliche Ordnung in den für Europäer chaotisch wirkenden Regenwald zu bringen. Das wird mit diesen Konzerten in Hannover redupliziert. Ganz besonders mit dem Angebot danach „durch den tropischen Regenwald zu flanieren“ und dabei den „Artenreichtum der Natur und die Fragilität des Regenwalds“ zu erleben. So als wären die Tropen auf dieser Welt eine Gegend, in der kein Mensch leben würde. Oder als wären die Menschen, die dort leben, den Tieren zuzuordnen. Ganz wie man es interpretieren mag.