Archiv für den Monat: März 2019

Keine Tätergesichter im bedrohten Paradies

Der biblische „Garten Eden“ soll sich irgendwo im Zweistromland befunden haben. Neuerdings lernen unsere Kinder, dass sich das Paradies in Südamerika befindet. Damit dass glaubhaft ist, versieht das Kinder-Apotheken-Magazin medizini seine Reportage mit ausreichend christlicher Symbolik der Schöpfungsgeschichte: Himmel, Erde ein reißender Fluss, Wälder, Pflanzen, Tiere und – höchst prominent – eine verführerische Baumschlange.

Die Menschen, die heute dort im Regenwald leben, sind koloniale „Kinder der Natur“, wie schnell zu erkennen ist. Sie bemalen sich das Gesicht und stecken sich Stöcken unter die Unterlippe. Die Yanomami Frauen stehen im Fluss, wie sie Gott erschaffen hat. Die ebenso fast nackten Kinder üben „spielerisch“ den Umgang mit Waffen. Was für eine Seelenruhe herrscht in dieser Kultur, angeblich ganz ohne schädigende Einfluss der Zivilisation oder Apotheken!

Allerdings wird unseren Kindern auch vermittelt, dass dieses Paradies bedroht ist. Nicht aber, weil die Menschen die Früchte des Baums der Erkenntnis essen, sondern durch Brandrodung, Abholzung und Ausbeutung der Bodenschätze, wobei der Boden mit Chemikalien vergiftet wird. 

Die Täter dieses gottlosen Handelns werden aber nicht gezeigt. Weder die Yanomami-Männer bei der Brandrodung noch die westlichen Weißen Waldarbeiter, Händler und Goldschürfer. Wir sehen nur die verheerenden Folgen für das Land und dicke Baumstämme auf dicken lauten Lastern. Der einzige weiße Mann in der Reportage ist ein WWF-Experte, der den Kindern gutmütig Hoffnung auf eine bessere Zukunft macht. Was für eine verdrehte Welt? 

Ist es womöglich deutschen Kindern nicht zumutbar zu zeigen, wer den Schaden im Amazonas anrichtet? Wären sie vielleicht irritiert, wenn dort mein Bild eines Mannes abgedruckt wäre, der möglicherweise gar nicht so anders aussieht wie ihr eigener Vater? In diesem Paradies wird also Erkenntnis gezielt verschleiert – was sollen die deutschen Kinder nur daraus lernen?

Süße Fair-Suchung oder Cookie-Monster?

Irgendwie scheint ALDI etwas missverstanden zu haben. Für das Fair-Trade Siegel „müssen die internationalen Fairtrade-Standards eingehalten werden, die weitreichende soziale, ökonomische und ökologische Aspekte abdecken. Darunter z. B. die Zahlung von Fairtrade-Mindestpreisen und der Fairtrade-Prämie, das Verbot von illegaler Kinderarbeit und die Einhaltung von Umweltschutzkriterien“. Kurz gesagt, es soll all das verhindert werden, was in der europäischen Kolonialzeit gang und gäbe war, nämlich andere Kulturen zu entdecken, erobern, zu besetzen und auszubeuten.

Diese Werbung hier versucht uns aber zu zeigen, dass beides gleichzeitig gehen soll. Entdecker-Expedition und Fairtrade! Dafür wird aus den fair gehandelten Cookies ein europäisch romantischer Berg gebastelt mit Tannenwäldchen, Eichhörnchen und Gipfelfähnchen. „Im Frühtau zu Berge wir ziehen, fallera!“ 

Klingt harmlos – aber den Mount Cook gibt es wirklich, mehrfach sogar. Besonders bekannt ist der aus Neuseeland. der nach dem britischen Entdecker James Cook benannt wurde, der – nebenbei erwähnt – für Großbritannien die Inseln eingenommen hat.

Nun sieht der neuseeländische Berg aber so gar nicht nach den Keksen aus und „süß“ ist er nun mal auch nicht. So dass sich schnell die Frage stellt, ob hier wirklich eine Landschaft assoziiert werden soll, oder doch nicht vielleicht eine „süße“ Person namens „Cookie“ mit der entsprechenden Hautfarbe erobert werden soll? Die Schokoladenkurven lassen da so einigen Interpretationsspielraum offen. Erinnert sich jemand an R. Kellys “Cookie”-Song?

„Mm like an Oreo/ I love to lick the middle like an Oreo/
Oreo, Oreo, like an Oreo/ I wanna bite it, and get inside it til I get you gone”

Und man will es kaum glauben, aber ALDI gewinnt mit solchen Produkten und Kampagnen sogar noch den Fairtrade Award

Sehenswürdige Weltmusiken

Die Weltkarte hier an der Wand des Restaurants soll wahrscheinlich lustig sein: neben dem Poncho sitzt der Samba, über dem Reggaeton drängt sich Cocaine. Unter Russland hängt die Polka und unter Afrika quetscht sich die Trommel gerahmt von Kakao und der Seregenti. 

Die Welt nach Ländern, Städten, Sehenswürdigkeiten, Religionen, Lebensmitteln, Klamotten, Souvenirs und Musikstilen sortiert. Spanien besteht aus Tango, Tapas und Wein. Lässt sich das anders besser zusammenfassen?

Jedes Stereotyp hat hier seinen festen Platz, ist vermessen, vorbestimmt und unverrückbar an eine Region gebunden. Auf diesem Bild erscheint sogar alles relativ. Man wird doch mal so ganz im Allgemeinen über den Osten, Westen, Süden und Osten in Vorurteilen reden dürfen und das benennen, was der westliche Mensch so damit verbindet, oder?  

Es ist eine richtige Touri-Weltkarte, die Lust darauf machen soll, die Welt zu entdecken. Tatsächlich sitze ich gerade diese Woche ziemlich genau auf dem „M“ der afrikanischen „Drums“. Dieses Bild hängt nämlich in einem touristischen Strandrestaurant in Cape Coast (Ghana), in dem ich mich nach einem anstrengenden Workshoptag an der Uni ausruhe. Aber wo sind sie nur die Trommeln? Aus den Lautsprechern tönt Reggaemusik (die es laut dieser Karte nur in Südamerika gibt), ich trinke ein Bier (das es nur in Mitteleuropa geben soll) und sehe vor mir vor allem den Plastikmüll, der hier in Massen an den Strand geschwemmt wird.

Jetzt könnte man sagen, dass sich damit bestätigt, dass alle Menschen auf der Welt die gleichen stereotypen Vorstellungen voneinander haben. Aber da gibt es einen gewaltigen Unterschied: ich werde in wenigen Tagen wieder zurückfliegen und kann mich dabei davon überzeugen, dass ich nicht über „spices“, „beer“ und „cheese“ fliege. Und kann mich zu einem anderen Zeitpunkt davon überzeugen, dass das Leben in südlichen Afrika auch nicht nur hakuna matataist. 

Für die Fischer hier am Strand, die sich wahrscheinlich schon einen Besuch in dieser Bar gar nicht leisten können, hat das Bild allerdings eine ganz andere Bedeutung. Die es im Vorbeigehen sehen, haben gar nie die Chance, einen dieser Plätze auf der Welt mit seinen vielfältigen Versprechungen zu besuchen. Ihnen wird nur vorgeschrieben, wie sie zu sein haben, wenn sie den weißen Touristen, die hierher kommen gefallen wollen