Ein El Dorado für „Gastindianer“?

Jedes Jahr aufs Neue staune ich über diese Werbung. Ein El Dorado in Brandenburg? Und was bitte habe ich unter „Gastindianern aus aller Welt“ zu verstehen? Dürfen die bei uns nur zu Gast sein? Oder können die in allen Ländern außerhalb Amerikas aufgrund ihrer ethnischen Abstammung immer nur Gäste bleiben? Oder wollen die Veranstalter damit etwa ausdrücken, dass sie neben „Verkleideten“ auch „echte Indianer“ vorweisen können?

Dieses Rollenspiel-Western-Spektakel im Stile einer kolonialen Völkerschau soll anscheinend als Familienunterhaltung gedacht sein. Es klärt einen dabei über die Verbindungen zwischen „Indianer Pow Wow“ und „Hula“ auf. Aber was ist an einer artistischen Nummer, die man in jedem anderen Varieté ebenso sehen kann, so „indianisch“ – abgesehen von der Kleidung und der Hautfarbe des Artisten? Geht es also doch nicht eher um pure Anwesenheit eines „Gastindianers“ und gar nicht um das, was er auf der Bühne macht?

Wobei ich an Stelle des Artisten Angst hätte, dass mir einer der Reifen am Halse stecken bleibt. Schließlich wurde die AfD in der Uckermark im September 2017 bei der Bundestagswahl zur zweitstärksten Kraft. Die Politiker dieser Partei haben bereits hierzulande die Absicht, sich „ihr Land zurückzuholen“. Mit dem Begriff „Landnahme“ und deren Folgen sollten sich Native Americans eigentlich mehr als gut auskennen.

Da würde ich mir als „Gastindianer“ noch mal überlegen, ob ich mich 2018 wieder nach Templin auf den Weg mache. Oder vielleicht sollten sich die vernünftigen Besucherinnen und Besucher überlegen, ob sie nicht besser ihre Cowboy-Hüte absetzen, und sich klarmachen, dass der Wilde Westen nicht nur eine glorreiche Film-Fantasiewelt ist. Für bestimmte Volksgruppen war sie eine bittere Realität und endete in einer beinahe vollkommenen Zerstörung ihrer Kulturen. Wäre es nicht besser, die Produzenten einer solchen Veranstaltung in der Uckermark versanden zu lassen?

3 Gedanken zu „Ein El Dorado für „Gastindianer“?

  1. Wie wäre es, wenn Sie von Ihrem übergroßen moralisch hohem Ross heruntersteigen, sich die ideologischen Scheuklappen vom Kopfe reißen und in die für Sie offenbar hinterwäldlerisch, postkoloniale, rassistische Uckermark reisen würden?

    Mit den Leuten offen reden und einfach mal nachfragen, ohne sie pauschal als rassistisch vorzuverurteilen, wäre schon mal ein Anfang. Ein wirklicher Augenöffner könnte das Gespräch mit den Vertretern der First Nations sein, die gern das Ambiente dieser Westernstadt nutzen, um die Kultur und Lebensweise ihrer Völker einem breiterem Publikum und ohne Hollywood-Verzerrung vorzustellen.

    Und am Ende würde Ihnen sogar die Frage nach der Bedeutung des Wortes „Gastindianer“ beantwortet.

    Dieses setzt aber voraus, dass Sie sich darauf einlassen würden. Haben Sie den Mut und die Unbefangenheit dafür oder ziehen Sie es vor, sich hinter Ihren Vorverurteilungen und poltisch korrekter „Haltung“ zu verschanzen?

    1. Vielen Dank für Ihren Kommentar zu meinem schon etwas älteren Blogeintrag.

      Wie Sie gut erkannt haben, geht es mir in dem Beitrag nicht um eine Feldforschung, sondern vorwiegend um die Analyse der Werbeanzeige zu dem Event. Aus diesem Grund interessieren weder die Absichten der Veranstalter noch der Inhalt des Produktes, sondern lediglich das Marketing-Konzept, das dem AIDA Modell (Attention, Interest, Desire, Action) folgt.

      In diesem Fall liegt eindeutig vor: die Werbeanzeige benutzt die Schlagwörter „El Dorado“, „Westernstadt“ und „Indianer“, um Publikum zu werben. Das sind hochproblematische Begriffe, da „Indianer“ von den First Nations, wie Sie sie richtig bezeichnen, als rassistisch diskriminierende Fremdbeschreibung wahrgenommen wird. „El Dorado“ ist ein kolonialer Sehnsuchtsbegriff, der auf die Ausbeutung der Rohstoffe fremder Kulturen verweist, und eine „Westernstadt“ das Symbol der weißen Eroberung Amerikas. Was für ein Publikum soll damit geworben werden?

      Dass Vertreter der First Nation dort freiwillig auftreten, entlastet die Organisatoren nicht davon, einen Rahmen vorzugeben, der koloniale und rassistische Grundeinstellungen beinhaltet. Dass bestimmte Einzelpersonen dort freiwillig auftreten, hat im Übrigen meinen Forschungen in vergleichbaren Milieus nach ganz andere Gründe. Die sind aber nicht Teil dieses Beitrages.

      Wenn Ihnen an der Veranstaltung etwas liegt und sie womöglich enger mit den Vertretern der First Nation in Verbindung stehen, würde es mich freuen, wenn Sie sich darum bemühen würden, in einem eigenen Festival unter anderem Namen diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Kulturen auf Augenhöhe präsentieren zu können.

      Im Übrigen weiß ich nicht, was an hohen moralischen Standpunkten falsch sein soll. Die Frage nach Moral bei der Bewertung der Realität und des eigenen Handelns ist zentrales Moment der europäischen Geistesgeschichte und hat die Texte der allgemeinen Menschenrechte wesentlich mit beeinflusst.

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